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Wie Touristiker „Premium“ verstehen

Der Begriff ‚Premium‘ zählt zu den Top-Buzz-Words und polarisiert nicht nur Verbraucher. Auch auf der Business-Seite des Marketings weckt die Bezeichnung unterschiedliche Ambitionen und wird für verschiedene (Alleinstellungs-) Merkmale verwendet.

Im Gespräch verriet uns Karin Hünerfauth-Brixius, Produktmanagerin Wandern bei der Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH, Ihre Sichtweise auf das kontrovers diskutierte Thema. Ihre Hauptaufgaben liegen unter anderem bei der Entwicklung, dem Marketing und dem Vertrieb der Prädikatswege in Rheinland-Pfalz.

Auf der einen Seite bist Du die Wander-Karin, eine passionierte und bewanderte Privatperson, die mit Leidenschaft und Neugier immer neue Wege erkundet und darüber berichtet. Auf der anderen Seite bist Du der Wander-Profi, die Expertin aus touristischer Sicht, die sich auf professionellem Terrain bewegt und für Infrastrukturentwicklung, Produktentwicklung, Vermarktung und nachhaltige Pflege kümmert. Letztlich immer für den Gast.
Wie definierst Du als Privatperson „Premium“? Was spielt dabei für Dich eine Rolle?

 Wenn etwas „premium“-artig ist, dann ist es rundherum super gut – in allem. Wenn ein Wanderweg oder eine Unterkunft, ein Auto, ein Essen oder ein Bier sich mit „Premium“ ziert, habe ich eine sehr hohe Erwartung an die Qualität. Ich werde echt sauer, wenn ein Premiumprodukt dann nicht sehr gut ist, z. B. wenn mich ein Weg an irgendeiner Passage langweilt oder die Erwartungsqualität an Markierung und Wegweisung nicht erfüllt ist.

 Ich wandere in Deutschland gerne auf zertifizierten Wegen, weil sie mir das schönste Wanderangebot versprechen. Meistens bin ich begeistert von den Touren, der Markierung und Wegweisung, doch manchmal bin ich auch enttäuscht, weil die Wegeführung unter den Erwartungen für „Premium“ bleibt. Aber das mag auch Geschmacksache sein. Mir passiert es durchaus auch, dass ich auf nicht zertifizierten Wegen in schöner Landschaft genauso zufrieden bin, obwohl die Wege dann auch Durststrecken haben. Meine Erwartungen sind dann einfach niedriger.

Ist Premium gleich Luxus für Dich?

Nein. Premium heißt nicht Luxus. Premium heißt Top-Qualität, passend zum Produkt. Ein Premiumerlebnis kann auch ein Erlebnis ohne Luxus sein, z. B. ein Sternenhimmel beim Zelten oder die Urigkeit einer Almhüttenübernachtung. Wahrscheinlich definiert jeder seinen „Premiumwert“ auch anders.

 Wie siehst Du als professionelle Tourismus-Expertin das Thema Premium?

 Genauso wie als Privatperson. Ich erwarte, dass ein Premiumangebot Top-Qualität bietet. Und zwar in allen Segmenten der Customer Journey. Von der Inspiration, bis zur Information, vom Erlebnis der Reise bis zur Nachbereitung.

Ich sehe hier, dass manchmal im Tourismus bestimmte Bestandteile sehr gut umgesetzt werden, aber manche lässt man schleifen. Ein Premiumweg ist meiner Ansicht nach nur ein Premiumweg, wenn die Kommunikationskanäle, die Vermarktung, die Informationen über den Weg, die angeschlossene Servicekette aus Gastronomie und Übernachtungsbetrieben und das Nachhaltigkeitskonzept ebenfalls auf höchstem Niveau sind.

 Wie bringst Du beide Welten zusammen?

 Sehr gut. Es gibt keinen Unterschied. Ich bin eine anspruchsvolle Touristin und kritische Touristikerin – das ist positiv gemeint!

 Wie sollte man im Tourismus zukünftig mit dem Begriff „Premium“ umgehen?

Den Begriff „Premium“ sollte man behutsam einsetzen. Leider wird er unüberlegt und inflationär gebraucht und dadurch verwässert seine Bedeutung aus dem Duden: premium (lat.-engl.) von besonderer, bester Qualität.

Karin Hünerfauth-Brixius studierte Diplom-Geographie mit Schwerpunkt Geoökologie an der Uni Mainz und war dort 5 Jahre als Lehrbeauftragte tätig. Seit 1995 arbeitet sie im Tourismus, leitete von 2003 bis 2009 das Rheinsteig-Büro bei der Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH und übernahm schließlich 2006 die Aufgabe, das landesweite Wanderwegekonzept in Rheinland-Pfalz aufzubauen und einen Wanderwege-Leitfaden zu entwickeln.