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Der Ride Mountainbike-Kongress – „Im Zeitalter der digitalen Höhlenmalerei“?

Die Zukunft von Mountainbike-Destinationen stand auch in diesem Jahr wieder im Mittelpunkt des Ride Mountainbike-Kongress. Touristiker, Betreiber von Bikeparks, Reiseanbieter, Destinationsberater und Hersteller von Mountainbikes trafen sich in Chur, um Ihr Wissen durch Fachreferenten zu erweitern und ihre Meinungen in Workshops auszutauschen.

Das diesjährige Leitthema war kurz und knapp, hatte es aber in sich. „Digital“. Unter diesem Schlagwort wurden zwei brandheiße Entwicklungen zusammengefasst. Zum einen die gerade durchstartende Entwicklung von eMountainbikes und zum anderen die sich im vollen Gang befindliche Digitalisierung. Die diesbezüglichen Eröffnungsthesen waren knallhart:

  • „eMountainbikes zerstören den Mountainbike-Sport“
  • „Crowd Content in öffentlichen Tourenportalen unterminieren die Besucherlenkung und den Naturschutz“

eMountainbike

Mountainbiker mit Elektro-Unterstützung erhöhen den Nutzungsdruck und es entstehen dadurch mehr Konflikte mit Wanderern, Landbesitzern und Jägern. Die Anzahl der Rettungseinsätze steigt, da sich Biker leichter überfordern. Dazu verursacht das höhere Gewicht der eBikes größere Erosionsschäden. Und sportlich gesehen ist es ohnehin Betrug. So lauten die Ressentiments, die aktuell gegenüber dem eMountainbiking geäußert werden.

Die Aussage des Entwicklungsteams von Bosch eBike Systems flankierten die im Foyer ausgestellten mächtigen Enduro eMountainbikes wie „Bodyguards“: „eMountainbikes haben einen kleinen Anteil am gesamten eBike-Markt, aber ihre Auswirkung auf den Mountainbike Sport wird groß und nachhaltig sein.“

Touristisch gesehen bieten sich dadurch neue Möglichkeiten, denn die potentielle Zielgruppe wird hoffentlich größer. Damit dies aber ohne Konflikte geschieht, steigt die Notwendigkeit aktiv Konzepte für die Entwicklung von Mountainbike Destinationen zu entwickeln. Dies darf heute nicht mehr mit einem ausschließlichen Blick auf konventionelle Mountainbiker geschehen, sondern muss eMountainbiker integrieren. Dieser Geist wird nicht mehr zurück in die Flasche gehen, auch wenn sich das einige noch wünschen.

Online Marketing und Crowd Content

Online Marketing und „Content is King“ sind Begriffe, die heute bereits deutlich älter sind als das eBike. In der Digitalszene heißt es: „Alles was digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert werden.“ Dies trifft auch auf den Tourismus zu.

Einige Referenten verglichen Destinations-Webseiten mit bekannten Online Plattformen. Dabei fiel auf, dass heute die Standards für die Qualität des Contents sowie für Usability weit über dem liegen, was selbst gute Destinationswebseiten bieten.

Wer sucht heute noch ein Hotel auf der Webseite einer Touristeninformation? Wer bucht seinen Flug direkt bei Lufthansa? Wer kauft seinen Fernseher direkt bei Samsung? Erfolgreiche Vermarktung von Produkten geschieht heute über Plattformen. Der Vorteil für die User: Auf einer Webseite findet man alle Informationen zu einem Thema. Sie bieten damit eine nie dagewesene Marktransparenz und die Möglichkeit alle Produkte eines Marktes vergleichbar zu machen. Plattformen verfügen über die Ressourcen hochwertigen Content mit exzellenter Technologie zu verbinden. Nichts Geringeres erwarten Digital Natives und Digital Immigrants schon heute.

Braucht eine Destination weiterhin eine eigene Webseite?

Oder besteht ihre Aufgabe vor allem darin, dafür zu sorgen, dass ihr Content auf den richtigen Plattformen zu finden ist?

Vor diesem Hintergrund wirkte die Diskussion, inwieweit Crowd Content eine Gefahr für die Besucherlenkung und für den Naturschutz ist, nicht mehr zeitgemäß. Crowd Content meint in diesem Zusammenhang Tourenvorschläge, die von Privatpersonen auf Tourenportalen veröffentlicht werden. Hier wurde unterstellt, dass diese häufig auf verbotenen Wegen führen. Besonders beim Thema Mountainbiken ist dies, bekannter Weise, ein heißes Eisen. Aber auch dieser Geist, wird nicht mehr zurück in die Flasche kehren. Einzige Möglichkeit hier entgegenzuwirken ist mit schlauen Wegkonzepten und eigenen Tourenvorschlägen ein attraktiveres Angebot zu bieten. Flächendeckende Fahrverbote für Mountainbiker sind Teil des Problems und nicht die Lösung.

Crowd und Communtiy

Das Wort Crowd bedeutet im Englischen „Menschenmenge“ und suggeriert beim Hörer scheinbar die Vorstellung einer unkontrollierbaren Horde. Das Wort Community erzeugt stattdessen positive Assoziationen. Eine Gemeinschaft kann mehr schaffen als ein Einzelner. Das ist das Credo der Outdooractive Plattform. Die Community bei Outdooractive besteht aus Privatpersonen und aus Institutionen. Alle Akteure können hier ihr Fachwissen zum Thema Outdoor einbringen. Tourismusorganisationen präsentieren ihre Tourenvorschläge, Sehenswürdigkeiten, Ausflugsziele und Unterkünfte. Die Wandervereine liefern Wegenetze und Hütteninformationen. Bergbahnbetreiber informieren über die Öffnungszeiten ihrer Liftanlagen. Regierungsorganisationen, Natur- und  Nationalparke geben Betretungsverbote und Verhaltensregeln bekannt. Weitere Behörden stellen aktuelle Wetter- und Lawineninformationen zur Verfügung. Auf diese Weise entsteht eine ganzheitliche Outdoor Plattform. Eine Plattform für alle Fragen rund um das Thema Outdoor, die den User auf seiner „Traveller Journey“ begleitet, sei es in der Phase der Inspiration, der Planung, Durchführung oder nach der Reise, bei der Weiterempfehlung an Freunde.

Web versus Print

Digitale Medien werden Printmedien nicht ersetzen. Ebenso wenig wird die Wegebeschilderung in den Tourismusregionen durch Apps überflüssig werden. Allerdings müssen sich die unterschiedlichen Medienarten besser miteinander verbinden. Nur so kann dem Gast eine lückenlose Informationskette geboten werden. Ein User, der eine Tour im Internet findet, möchte auch die entsprechende Printkarte bestellen können. Ebenso möchte er, wenn er einen Tourenvorschlag auf einer Infotafel liest, diesen auf der Navigations-App nutzen. Wenn er auf einer Plattform die zehn besten Mountainbike-Touren empfohlen bekommt, möchte er diese auch als Tourenbuch bestellen können. Print-, Digitalmedien und Beschilderungen verdrängen sich nicht, sondern können ihre individuellen Stärken zu einer ganzheitlichen Besucherinformation bündeln.

„Digitale Höhlenmalerei“?

Im Schlusswort des Ride Mountainbike-Kongress zu Thema „Digital“ heißt es, wir seien erst am Anfang einer Entwicklung und es sei noch nicht absehbar, wohin diese Reise führe. Vielleicht sei der technologische Stand von heute nur eine „digitale Höhlenmalerei“.

Ein stärkeres Fazit mit einem deutlicheren Aufruf die schon heute vorhandenen Möglichkeiten zu erkennen und zu nutzen, wäre wünschenswert gewesen. Aus der digitalen Steinzeit sind wir nämlich schon längst raus. Der vernetzte eBike Bordcomputer Nyon von Bosch ist dafür ein starker Beweis.