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Outdooractive Inside: wie alles begann

Der Gründer und CEO Hartmut Wimmer erzählt im Interview, wie Outdooractive entstanden ist.

Hartmut, Outdooractive gibt es ja schon eine ganze Weile. Es macht aber im Moment den Anschein, dass ihr bei allen aktuellen Themen die Nase vorn habt oder zumindest mit dabei seid. Was steckt denn dahinter?

Tjaaaaa, das ist eine längere Geschichte, wie viel Zeit habt ihr? (lacht)

 

Dann erzähle uns doch mal deine Geschichte – von Anfang an. Wahrscheinlich hat das auch ganz viel mit dir als Person zu tun. Wo kommst du her und was treibt dich an?

Ja, das ist vermutlich in der Tat so, dass der Auslöser sehr weit zurückliegt. Ich bin ja in Bad Hindelang im Oberallgäu aufgewachsen, in einem Ort, der stark von Alpwirtschaft und Tourismus geprägt ist. Als Unternehmersohn hatte ich schon früh meine ersten Jobs in den beiden Bereichen, nämlich als Hirtenjunge auf einer Alpe und beim Öffnen der Viehgatter auf der Buslinie von Hinterstein zum Giebelhaus im Naturschutzgebiet. Ich war praktisch immer in den beiden Welten verwurzelt. Die ursprüngliche Welt, die geprägt ist vom Leben mit der gottgegebenen Landschaft, und die neue Welt des Tourismus, die einerseits eine neue, bessere Lebensgrundlage beschert, aber andererseits eine Belastung ist für die Natur und die althergebrachten Strukturen einer Destination.

 

Das bedeutet, du bist mit dem Tourismus aufgewachsen?

Ich kenne den Tourismus in allen seinen Facetten. Ich habe eine Ausbildung zum Zimmerer gemacht und als Handwerker gearbeitet, dann habe ich das Studium zum Bauingenieur absolviert und mich als Statiker selbständig gemacht. Während der Studienzeit habe ich als Kletterer die Welt bereist. Im Allgäu war ich einer der Pioniere des Sportkletterns und habe mehrere hundert Kletterrouten erschlossen. Das Geld für die Bohrhaken und die Standplätze habe ich damit verdient, dass ich den ersten Kletterführer für das Allgäu gemacht habe. Die Übersichtskarten und Topos habe ich von Hand gezeichnet, in einem Copyshop vervielfältigt und mit einem Heftstreifen zusammengeheftet. Den fertigen Führer habe ich in den Klettergebieten an die anderen Kletterer für 10 Mark verkauft und in den lokalen Sportgeschäften mit einem Erlösshare vertrieben.

 

Und wie hast du das dann mit deinem Beruf zusammengebracht?

Ich habe praktisch mein Leben lang immer die Verbindung zwischen meinem Beruf und meiner privaten Leidenschaft Outdoor gesucht. Privat war ich immer als Bergsteiger in den verschiedenen Disziplinen unterwegs und bin dadurch in viele Länder der Welt gereist. Ich war schon in jungen Jahren Mitglied im Alpenverein und bei der Bergwacht, habe im Winter als Skilehrer gearbeitet und im Sommer Touren geführt. Beruflich habe ich in der gleichen Zeit ein Architektur- und Ingenieurbüro aufgebaut, in dem wir touristische Projekte geplant haben. Das Planen und Bauen von Bergstationen, Sportstätten, Hochseilgärten und Bikeparks war immer interessanter als Wohngebäude im Tal.

Im Jahr 2000 kam dann der erste Auftrag, der nichts mehr mit Bauen zu tun hatte. Nachdem wir den Bikepark an der Hornbahn in Bad Hindelang geplant hatten, verkaufte ich unserem Kurdirektor Max Hillmeier einen Mountainbikeführer und eine Mountainbikekarte. Damit verbunden war auch ein Abstimmungsprozess mit Grundstückseigentümern, Naturschutz, Landwirtschaft und den Forst- und Jagd- Verantwortlichen, welche Touren denn für die Publikation geeignet sind. Die 20 Touren aus dem Projekt sind heute die ältesten Touren in der Plattform und immer noch gut – wenn man mal von den Bildern absieht, auf denen das Outfit und die Ausrüstung der Biker nicht mehr so ganz aktuell ist (lacht).  Das Projekt war jedenfalls der Punkt, an dem ich endgültig beschlossen habe, meine berufliche und private Leidenschaft zu verbinden.

 

Und wie hast du das gemacht?

Naja, das Ganze war ein langer Prozess. Zu der Zeit gab es nur einige zarte Anfänge im Bereich der digitalen Karten, Tourenplanung und Navigation. Das war die Zeit, als das mit dem Mountainbiken losging und Andi Heckmayr und Uli Stanciu im gleichen Jahr die Alpenüberquerung mit dem Mountainbike erfunden hatten. Meine ersten Alpenüberquerungen habe ich auch noch klassisch geplant mit Papier-Landkarten. Die habe ich dann auch im Rucksack eine Woche lang über die Alpen getragen – bis zu 1,5 kg! Für mich war klar, da muss es etwas Neues, Digitales geben. Dann habe ich meinen ersten PDA gekauft, der hatte ein großes, interaktives Display (mit Stift zu bedienen), einen SD-Karten-Slot und die Möglichkeit, ihn mit einem externen GPS-Adapter zu verbinden. Zusammen mit den ersten digital verfügbaren Karten (damals noch gescannte georeferenzierte Printkarten) und vielen Experimentier- und Bastelstunden ergab das die erste digitale Tourenplanung mit GPS-Navigation; einige Jahre, bevor es das erste iPhone gab. Da wurde meine Allgäuer Mächler-Eigenschaft angesprochen. Ich liebe es, Pionier zu sein und etwas Neues zu erkunden. Egal ob das fremde Länder, neue Sportarten oder neue Technologien sind. Und wenn ich etwas noch nicht kann, dann ist das immer eine gute Gelegenheit, das jetzt zu lernen. Und wenn es das noch nicht gibt, dann ist das vielleicht der richtige Moment, etwas Neues zu erfinden. Als gelernter Statiker liebe ich es, komplexe Sachverhalte in die einzelnen Bestandteile aufzulösen und die Dinge von Grund auf zu verstehen und zu lösen. Im Tourismus habe ich eine perfekte Spielwiese für diese Mächler-Leidenschaft gefunden. Tourismus ist für mich ein riesengroßes, extrem komplexes Thema mit ganz vielen Beteiligten, ganz vielen Themen und ganz vielen Prozessen. Und es gibt noch keine durchgängigen Datenstrukturen und noch extrem viele ungelöste Probleme. Wenn ich als Tourist einen Individualurlaub planen will, ist das immer noch eine gewaltige Herausforderung und (für mich als Ingenieur) noch völlig unbefriedigend gelöst.

 

Wow, das klingt nach echter Leidenschaft

Ja, das stimmt, ich habe meine Berufung und meine Mission gefunden. Als Unternehmer schaut man ohnehin nicht auf die Uhr, aber bei mir ist das extrem. Wenn ich etwas wirklich will, dann kann man das auch verbohrt oder verbissen nennen. Ich gebe so lange keine Ruhe, bis ich den Weg gefunden habe. Ich habe mir nicht weniger vorgenommen, als die Welt zu digitalisieren bzw. wenigstens die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Und ich bin damit schon ein ganzes Stück weit gekommen. Mal sehen, wir weit wir das noch bringen können.

 

Wie geht dein Umfeld damit um?

Guter Punkt. In einer Unternehmerfamilie ist die Situation grundsätzlich klar: Man muss das Geschäft voranbringen. Und das erfordert Zugeständnisse von allen. Meine Frau arbeitet mit im Unternehmen, ohne sie wäre das nicht möglich gewesen, was wir bis heute erreicht haben. Sie ist auch aus einer Unternehmerfamilie und sehr ehrgeizig. Darüber bin ich sehr froh, auch wenn wir in unserer gemeinsamen Freizeit fast nur über Outdooractive reden. Es macht uns eben beiden Spaß.

Im Unternehmen habe ich das große Glück, ein extrem gutes Team zu haben. Viele meiner Leute sind seit mehr als 10 Jahren hier. In der Anfangszeit haben die mich auch manchmal komisch angeschaut, so nach dem Motto: „Jetzt spinnt er wieder!“, und mich auch mit vielen Diskussionen herausgefordert. Das hat uns sicherlich geholfen, den richtigen Weg zu finden, und die Sicht zu schärfen. In der Zwischenzeit sind wir über 100 Leute geworden, und es ist eine schwierige Phase für das Unternehmen, aus einem Startup mit einem Haufen Enthusiasten ein funktionierendes, international erfolgreiches Unternehmen zu machen. Aber wir werden auch diese Herausforderung meistern.

 

Wie findet ihr in der heutigen Zeit die richtigen Leute?

Ja, das wird immer schwieriger. Uns hilft das schöne Thema, bei dem sich viele Leute mit ihrer eigenen Leidenschaft einbringen können und ebenso wie ich, ihr Hobby mit dem Beruf verbinden können. Meistens finden die richtigen Mitarbeiter uns über unsere Produkte und nicht wir sie. Wenn wir von jetzt auf gleich meinen, dass wir jetzt 5 zusätzliche Leute im Allgäu brauchen, dann funktioniert das nicht. Wir wachsen also auch im Team quasi organisch, genauso wie bei unserem sonstigen Wachstum.

 

Ihr steht also für die Digitalisierung des Tourismus. Wie habt ihr denn daraus ein Businessmodell gemacht?

Ja, das war tatsächlich die Ur-Entscheidung, eine digitale Plattform zu bauen, im Jahr 2003. An der Grund-Idee hat sich seither nichts geändert: Wir bauen eine zentrale Datenbank und kümmern uns darum, dass alle Beteiligten im Tourismus mitmachen und ihre Inhalte eingeben. Als Solidargemeinschaft hat jeder das Recht, alle Inhalte der Plattform zu nutzen, aber nicht zu verändern. Seitdem programmieren wir an genau der Plattform. Die erste Software haben wir Ingenieure geschrieben, um Wegweiser zu planen und Gehzeiten zu berechnen. Die Architekten haben die Grafik gemacht. Und die Bautechniker haben die GPS-Vermessungen im Gelände durchgeführt.

Nach den ersten Projekten hat unser damaliger Landrat angerufen und gefragt: Ihr seid doch die mit den Karten und den Wegweisern? Könnt ihr euch denn auch um eine einheitliche Beschilderung im Oberallgäu kümmern? Klar, konnten wir. Von da an waren wir Wanderwegeplaner. Wir haben innerhalb von 3 Jahren 5.000 km Wanderwege abgefahren und abgewandert, digitalisiert, das Wegenetz und die Beschilderung von Grund auf neu geplant. Wir haben die erste Software für die digitale Planung von Wegenetzen programmiert. Damit haben wir z.B. den Rheinsteig beschildert und viele Fern- und Prädikatswege geplant.

Dann kam das Thema Nordic Walking. Getrieben durch die Ausrüstungs-Industrie gab es plötzlich einen Bedarf in den Destinationen ein Angebot zu schaffen, um möglichst als einer der Ersten dabei zu sein. Wir haben ein Produkt entwickelt, bei dem es drei oder fünf Rundtouren, eine Übersichtstafel mit Anleitung und eine digitale Tourendarstellung für die Website gab. Die Hälfte der Produktkosten wurde von einigen Ausrüstungsherstellern gesponsort. Innerhalb von 2 Jahren haben wir das Produkt mehr als 100 Mal verkauft von Südtirol bis nach Sylt. Auf einmal waren wir überall als Planer mit einer Digitallösung bekannt.

 

Und wie kam es dann zu den Software-Produkten?

Die Idee war von Anfang an, alles was wir machen, digital zu machen. Das fiel uns als Ingenieure auch leichter, und wir hatten keine analoge Historie in dem Bereich. Im Unterschied zu einem klassischen Kartografie-Verlag beispielsweise haben wir gleich mit einer digitalen Kartengrundlage angefangen. Vor 15 Jahren, als wir daraus die ersten Printkarten produziert haben, war das Ergebnis allerdings noch grausam (lacht), dafür schäme ich mich noch heute. Aber das war eben der Anfang und wir haben uns schnell zu Spezialisten für digitale Kartografie entwickelt.

Die Entwicklung von Softwareprodukten war auch ein langer Weg. Aufgrund der Entscheidung, eine Plattform zu entwickeln, war es vorbei mit der Projekt-Denkweise. Bei einem Projekt denkt man nicht links oder rechts, man versucht, das bestellte Ergebnis auf dem schnellsten Weg herzustellen. Dann schreibt man eine Rechnung, räumt die Ordner in den Keller und beginnt mit dem nächsten Projekt.

Bei der Entwicklung einer Plattform gibt es in den Projekten viele Zwänge, weil alles auf der gleichen Technologiebasis aufbaut, die Möglichkeiten der Individualität sind dadurch stark eingeschränkt. Dafür ist es aber am Ende eine standardisierte Technologie, die auch zentral weiterentwickelt werden kann. Das hat nur zu der Zeit niemand verstanden. Wem man das auch erklärt hat, was wir da bauen wollen, die haben uns – und vor allem mich (lacht) – für verrückt erklärt. Es war eine harte Zeit, die Kunden mussten teilweise bis zu zwei Jahre warten, weil wir die bestellte Lösung erst als Plattform aufbauen mussten. Das Ganze haben wir mit vielen Projekten finanziert und nach und nach gebaut. Am Anfang war das quasi ein Blindflug, weil man das Ergebnis und die Zusammenhänge lange nichts sehen konnte.

 

Screen Entwurf aus dem Jahr 2003 für die ersten Web-Frontends

 

Sie möchten wissen wie es weitergeht?

Bleiben Sie gespannt: In Kürze veröffentlichen wir hier den zweiten Teil des Interviews hier, auf unserem Corporate Blog.