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Tourismus in den 2020ern – eine Dekade der touristischen Herausforderungen

„2020 steht für einen Jahres- und gleichzeitig Zeitenwechsel. Der Beginn einer neuen Ära. Die 20er Jahre zeigten uns bereits in der Vergangenheit, dass gesellschaftlich und politisch alles drin war. Auch wir in der Tourismusbranche stehen vor einem Jahrzehnt der touristischen Herausforderungen.“

Mit dem Jahreswechsel sind wir in die Dekade der 20er Jahre des 21. Jahrhunderts eingetreten. Ein Zeitenwechsel? So wie in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts, als von Hochkultur und goldenem Zeitalter bis hin zur Weltwirtschaftskrise alles drin war?

Zu schnell war die Entwicklung der vergangenen Jahre, zu groß die Änderungen – wir alle werden gesellschaftlich und politisch in den 20er Jahren einiges zu verarbeiten und neu auszurichten haben. Für uns im Tourismus geht es von dem großen Thema der Klimakrise bis hin zum Fachkräftemangel.

In den 20er Jahren dieses Jahrhunderts wird in jedem Fall die Klimakrise durch nachhaltige Konzepte nicht zuletzt beim Thema Reisen und Urlaub zu bewältigen sein. Doch es gibt eine ganze Vielzahl von Veränderungen, die die Dekade der 10er Jahre von den 20er Jahren abgrenzen wird. Einige davon habe ich gegenüber gestellt, ohne darauf umfangreich antworten zu können.

2010 -2019 2020-2029
Die heißeste Dekade der Menschheitsgeschichte: außerordentliche Temperaturen, Gletscherschmelze und ein weltweiter Anstieg des Meeresspiegels Nachhaltigkeit wird zum Mittelpunkt des politischen und gesellschaftlichen Handelns.
Die Reisetätigkeit weltweit erreicht unermessliche Ausmaße: 1,4 Milliarden Menschen traten schon 2018 eine Auslandsreise an, fünfzigmal (!!) so viele wie 1950. (Quelle: BMWI) Die Reisetätigkeit wird sich stärker diversifizieren und nachhaltiger werden, die ökonomische Entwicklung lässt aber keinen Rückgang vermuten.
Reiselust stärkt Auslandstourismus, Mittel- und Langstrecke sind der Trend des Tourismus. Der Urlaub ohne Flugreise rückt in den Fokus, die Urlaubsidee wird vielfältiger.
Individuelle Mobilität steht im Vordergrund, auch bei Anreise und Mobilität am Urlaubsort. Kooperative Mobilität und öffentlicher Transport werden wichtiger.
Digitalisierung und mobile Nutzung, Aufstieg der sozialen Medien Mobile Nutzung in vernetzten Anwendungen, der Nutzen steht im Mittelpunkt.
Stetiges Wachstum der touristischen Nutzung auf bestehender Infrastruktur und konkurrierende Nutzung durch unterschiedliche Nutzungsarten Schaffung neuer spezifischer Infrastruktur für touristische Nutzung – Radwege, Mountainbike-Strecken, Wanderpfade; Entflechtung der Nutzung
Saisonalität und Jahresurlaub Disperse touristische Nutzung über das gesamte Jahr in kürzeren, aber dafür mehreren Urlaubszeiten
Fachkräftemangel und schlechte Arbeitsbedingungen in Saisonarbeitsverträgen prägen den Tourismus. Attraktive Jobs und Professionalisierung über das gesamte Jahr
Geburtenstarke Jahrgänge sind in der Mitte des Erwerbslebens, oftmals noch Familienurlaube im Fokus. Geburtenstarke Jahrgänge in der letzten Phase der Erwerbslebens, weniger Familienurlaube und dafür spezifischere Urlaubsformen nach Urlaubsthemen
Auswahl des Urlaubsziels nach Preis und Verfügbarkeit, Status und Komfort Das Urlaubsziel wird nach der optimalen Erfüllung des Urlaubsgrunds gewählt.
Wachsende Buchung auch über Online-Kanäle, erste Ausfälle in der Reisebürobranche Ausschließliche Online-Buchung: Die Buchung aller touristischen Leistungen wird online.
Wachstum der Übernachtungszahlen im Deutschland-Tourismus um 20%, das Wachstum des ausländischen Touristen in Deutschland ist aber 50% höher. Weiterer starker Wachstum des Anteils der ausländischen Touristen im Deutschland-Tourismus

 

Daraus lassen sich folgende Handlungsempfehlungen ableiten:

1. Fokus auf Nachhaltigkeit

    • Nachhaltigkeit & Umweltschutz
      Nachhaltigkeit und Umweltschutz werden wichtige Entscheidungsgründe für oder gegen einen Urlaub. Wer eine umweltfreundliche Urlaubssituation vorweisen kann, wird im Vorteil sein. Dies beginnt bei der Anreise und geht über die gesamte Urlaubssituation vom Wohnen bis zum Essen.
    • Nachhaltigkeit & Förderpolitik
      Es wird eine Aufgabe des Tourismus sein, eine umweltverträgliche Verkehrssituation am Urlaubsort zu erstellen und die Anreise mit Bus und Bahn zu fördern und hier aktiv auch schwierige politische und gesellschaftliche Entwicklungen mitzusteuern. Die touristischen Akteure haben es schwer, sich hier Gehör zu verschaffen, aber hier liegt ein Hauptaufgabenfeld. Auch muss die gesamte Förderpolitik grundlegend zugunsten der Ziele der Nachhaltigkeit geändert werden. Wann wird auch am Bahnhof wieder in das „Willkommen“ eines Gastes investiert?
    • Nachhaltigkeit & natürlicher Lebensraum
      Nachhaltigkeit und Umweltschutz werden vom Gast mit einem intakten, natürlichen Landschaftsraum verbunden, es ist auch die Aufgabe des Tourismus, diese natürlich empfundenen Landschaftsräume zu erhalten.

2. Stärkung des Reisegrundes

    • Spezifizierung des Reiseangebots
      Der Reisegrund wird eine wachsende Bedeutung bekommen, daher sollten Destinationen einen klaren Schwerpunkt setzen und ein spezifisches Angebot bewerben. Das Kuratieren von Inhalten stärkt die Sichtbarwerdung des Reisegrundes.
    • Förderung von Kurzaufenthalten
      Kürzere Aufenthalte ermöglichen, die Saisonalität abzuschwächen und die touristischen Betriebe wieder über das gesamte Jahr attraktiver zu machen.
    • Ausbau und Spezifizierung der Infrastruktur
      Die Stärkung des Reisegrundes wird auch in dem Ausbau der Infrastruktur, die zur optimalen Befriedigung der Urlaubsaktivität genutzt wird, seinen Niederschlag finden. Mountainbike z. B. wird dort stattfinden, wo das richtige Angebot erschaffen wurde, und Wanderregionen mit 100 Kilometern Forststraßen werden die Verlierer sein. Es macht Sinn, die Nutzung zu entflechten und eine spezifische touristische Infrastruktur aufzubauen. Zur Stärkung des Reisegrundes werden branchenspezifische Verbände (Wander-, Fahrrad-, Mountainbike-, Bergsport-Verbände) wichtige Ansprechpartner der Destinationen.

3. Angebot von Themenurlauben
Die Stärkung der heutigen Nebensaisonzeiten mit spezifischen jahreszeitlich angepassten Urlaubsangeboten ist eine riesige Chance – es wird nicht mehr einen Haupturlaub, sondern mehrere Urlaube zu verschiedenen Themen geben: Radurlaub, Gesundheitsurlaub, Kultururlaub werden für den Gast gleichwertig. Je mehr aber in den einzelnen Bereich geboten werden kann, umso länger wird der Aufenthalt sein.

4. Stärkung des ausländischen Tourismus
Die Stärkung der Gästeankünfte aus dem Ausland wird eine wichtige Aufgabe sein. Wie schon die letzte Dekade zeigt, ist das Wachstum der ausländischen Übernachtungszahlen um 50% höher als das Wachstum einheimischer Gästeübernachtungen (29% Steigerung der ausländischen Übernachtungszahlen zwischen 2010 und 2019). Die Bereitschaft, nach Deutschland zu reisen, ist international vorhanden, doch für die Themen des Natur- und Outdoor-Tourismus fehlt es vielfach noch an der Marktaufbereitung und der touristischen Produktbekanntheit im Ausland.