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Fluch und Segen Innovationen

Innovationen sind das Lebenselexier der Tourismusbranche. Die ganze Welt erwartet permanent Innovationen aus den Tourismusdestinationen. Die Tourismusmessen (wie z.B. CMT oder ITB) funktionieren nur, wenn die Aussteller neue Produkte und Innovationen präsentieren. Die komplette Medienberichterstattung lechzt nach noch nie dagewesenen Dingen, eben Innovationen. Die Destinationen sind gefordert, immer wieder Neuigkeiten zu präsentieren, denn sonst nimmt sie niemand wahr – zumindest ist das die gängige Meinung. Denn wer nicht von den Medien aufgrund von Innovationen erwähnt wird, der schwimmt mit dem großen, profillosen Strom und der ist es nicht wert, über ihn zu schreiben oder gar dort hinzufahren und dort Urlaub zu machen.

Die Dienstleister im Tourismus sind permanent gefordert, Innovationen zu liefern. Denn Destinationen wollen Produkte nur dann kaufen, wenn sie innovativ sind. Das, was die Nachbardestination hat und das, was die Medien schon zu oft durchgekaut haben, das wollen sie eingentlich nicht mehr kaufen. Denn das bringt sie im Wettlauf um das meiste Medieninteresse nicht mehr weiter.

Es hat sich ein eigener Zweig der Tourismusberater etabliert, Menschen, die ihr Geld damit verdienen, den neuesten Trends auf der Spur zu sein, visionäre Thesen zur Zukunft des Tourismus zu entwickeln und den Destinationen gegen Honorar die Innovationen zu empfehlen, mit denen diese am heißumkämpften Markt bestehen werden. Daraus entsteht zusätzlicher Handlungsdruck, der wiederum natürlich nur mit zusätzlicher Beratung und zusätzlichen Innovationen gelöst werden kann.

Seit fast 20 Jahren sind wir nun Dienstleiter und seit 10 Jahren schwerpunktmässig im Tourismus. Und seitdem sind wir gejagt von dem ständigen Druck, Innovationen liefern zu müssen. Wenn man Innovationen entwickelt hat, dann ist man der leuchtende Stern am Tourismushimmel. Wenn man keine hat, dann ist man tot.

Leider sind die Innovationen halt auch wieder vergänglich. Als wir 2004 unsere erste interaktive Karte selber entwickelt hatten, gab es noch kein Google Maps, kein Bing und kein Yahoo Maps. Wir haben viel investiert in eine Technologie, die heute jeder kennt als Google Maps & Co. Wir waren aber vorher da. Leider weiß das heute keiner mehr. Als Google Maps seine API zur Verfügung gestellt hat, haben wir unsere Karten-Grund-Technologie eingestampft und verwenden jetzt auch Google.

Unser erstes ALPregio im Jahr 2004 war richtig innovativ. Die erste interaktive Karte im Web mit der man POI´s und Touren flexibel aus- und einblenden und GPS-Tracks und Topokarten-Ausdrucke runterladen konnte. Wir haben uns damals den Mund fusselig geredet, um den Kunden die Vorteile (die Innovation) dieser Technologie zu erklären und sie zu einem Kauf zu bewegen. Nach zwei Jahren waren wir soweit, dass wir dieses Produkt einstellen wollten. Es war nur sehr schwer zu verkaufen und wir konnten unsere Entwicklung bei Weitem nicht refinanzieren. Doch dann kam unerwarteterweise eine Wende und es gab auf einmal Nachfrage nach dem Produkt, Ausschreibungen wurden nach dem ALPregio Standard formuliert und wir sind doch noch zu dem Stern am Tourismushimmel geworden.

 

Doch was ist mit dem Gast ?

Es sollte doch eigentlich so sein, dass alle Bemühungen der Destinationen, Berater und Dienstleister darauf ausgerichtet sind, was der Gast letztlich braucht. Leider kommt der Gast bei dem Innovations-Wettlauf oftmals zu kurz. Denn im Zweifelsfall entscheiden sich die Verantwortlichen halt doch für den Marktingwert der Innovation und nicht für Dinge, die einem Urlauber vor Ort wirklich weiterhelfen.

Im Zwang, ständig Innovationen liefern zu müssen, kommen pragmatische Dinge oft zu kurz. Dinge, von denen ein Gast (User) profitieren könnte. So etwas wie eine gescheite Radbeschilderung etwa, oder ausgewiesene Mountainbiketouren, oder eine praktische Papier-Wanderkarte.

Vielleicht wäre es innovativ, sich einfach mal um die ganz normalen Bedürfnisse des Gastes zu kümmern ?